Pflanzenintelligenz im Design: Warum wir anders planen müssen

Was wäre, wenn Bäume und Pflanzen in unseren Projekten nicht nur dekorativ wären – sondern aktiv mit ihrer Umgebung interagieren könnten?

Erstellt von Daniela Bruse |

Wenn sie Daten liefern würden, die uns helfen, Städte klüger, widerstandsfähiger und lebenswerter zu gestalten? Diese Frage stellt eine zentrale Annahme in der Landschaftsplanung infrage: dass Natur lediglich eine Kulisse sei. Zu lange wurde Vegetation als „grüner Zusatz“ verstanden – als visuelles Gegengewicht zur gebauten Struktur. Aber in Zeiten zunehmender Klimadynamik zeigt sich: Pflanzen sind mehr als Kulisse. Sie sind Teil der Lösung.

Der Impuls aus Venedig

Auf der Architektur-Biennale 2025 hat der belgische Landschaftsarchitekt Bas Smets ein Konzept vorgestellt, das diesen Gedanken konsequent weiterdenkt: chronobiotische Landschaften. Dahinter steckt eine über zehnjährige Zusammenarbeit mit dem renommierten Pflanzenneurobiologen Stefano Mancuso, Gründer des International Laboratory of Plant Neurobiology an der Universität Florenz. Gemeinsam erforschen sie, wie Pflanzen auf Licht, Temperatur, Bodenfeuchte oder Luftqualität reagieren – und wie sich diese Reaktionen in die Gestaltung einbinden lassen. Mancuso hat in zahlreichen Publikationen gezeigt, dass Pflanzen über ausgeprägte sensorische Fähigkeiten verfügen: Sie speichern Erfahrungen, kommunizieren über chemische Signale und passen ihr Verhalten an Umweltveränderungen an.  Lesen Sie hier mehr darüber.

Smets bringt dieses Wissen in seine Entwürfe ein. Für ihn sind Bäume keine statischen Objekte, sondern Systeme mit Rückkopplung. Sensoren in realen Projekten messen beispielsweise Photosynthese-Raten, Feuchteverläufe oder Strahlungswerte – und machen diese biologischen Prozesse planbar. Das Ziel: eine echte Interaktion zwischen gebauter und lebendiger Umwelt.

Von Messwerten zu Planungswerkzeugen

Was bisher als abstrakt galt – Wurzeltemperaturen, Verdunstungsraten, Mikrobodendynamik – wird heute messbar und damit auch nutzbar für die Planung. Statt Entwürfe auf statischen Annahmen aufzubauen, können wir künftig mit biologischen Echtzeitdaten arbeiten. Pflanzen werden so nicht nur Gestaltungsobjekte, sondern aktive Akteure in der räumlichen Entwicklung. Ihre Reaktionen beeinflussen beispielsweise:

  • die Positionierung von Aufenthaltsflächen,
  • die Materialwahl in hitzeexponierten Bereichen,
  • oder die Gestaltung von Wasser- und Schattenzonen.

Das verändert unsere Rolle für Planer:innen grundlegend: weg von der Kontrolle, hin zur Kooperation mit lebendigen Systemen.

Konsequenzen für die Planungspraxis

Diese Entwicklung stellt auch technische und organisatorische Fragen:

  • Tool-Integration: Wie lassen sich ökologische Rückmeldungen in bestehende Planungssoftware einbinden? Heute behandeln CAD- und BIM-Systeme Pflanzen als statische Objekte. Doch was wäre, wenn sie als Sensoren oder Steuergrößen abgebildet würden?
  • Workflow-Änderungen: Können Pflanzenintelligenz und Echtzeitdaten integraler Bestandteil von Entwurfsprozessen werden? Dafür braucht es neue Protokolle – von der Standortanalyse bis zur Betriebsphase.
  • Berufliche Ausbildung: Die nächste Generation von Planer:innen muss verstehen, wie biologische Systeme funktionieren. Das verlangt interdisziplinäres Denken: zwischen Design, Ökologie, Datenanalyse und Umwelttechnik.

Gestaltung mit Verantwortung

Diese Entwicklung stellt eine zweite, grundsätzliche Frage: Welche Haltung nehmen wir ein? 

Die klassische Perspektive lautete: Wie können wir Natur in die Planung integrieren? Die neue Perspektive lautet: Wie können wir mit der Intelligenz natürlicher Systeme planen?

Denn: Bäume und Vegetation speichern Informationen über klimatische Bedingungen, saisonale Rhythmen und Umweltstress. Dieses biologische Gedächtnis kann zur Grundlage für robustere, anpassungsfähigere Räume werden.

Perspektive bei BRUSEGROUP

Natürlich: Die Tiefe, mit der Smets und Mancuso arbeiten, ist hochspezialisiert. Aber die dahinterliegende Haltung ist übertragbar. Bei BRUSEGROUP verfolgen wir solche Entwicklungen aufmerksam – und unterstützen unsere Auftraggeber:innen dabei, diese Impulse in umsetzbare, skalierbare Strategien zu übersetzen. Wir arbeiten in allen relevanten Feldern der klimaangepassten Landschaftsplanung: Von der strategischen Integration grüner Infrastruktur in Stadtentwicklungsprozesse bis zur Entwicklung konkreter Maßnahmen im öffentlichen Raum. Unsere Stärke liegt darin, wissenschaftliche Erkenntnisse mit planerischer Umsetzbarkeit zu verbinden.

Denn: Die Anforderungen an Stadtgrün ändern sich. Es geht nicht mehr um „mehr“, sondern um „anders“. Und darum, der Natur als aktiver Partnerin im Entwurfsprozess zu begegnen.

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